Keine Zeit – und was das eigentlich bedeutet

770 497 Christine

Seit 2001 bin ich selbständig tätig als Tierkommunikatorin und Lehrerin für TK. Ich bin in der unglaublich glücklichen Lage, mit dem, was ich liebe, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Weil ich mit 20 ziemlich jung war, als sich mein Beruf entwickelte, musste ich erstmal hineinwachsen. Tierkommunikation war noch neu und es gab nicht viele, an denen ich mich orientieren konnte. Ich musste allein die Balance finden zwischen der eigentlichen Arbeit, in meinem Fall dem Unterrichten und den Einzelberatungen, der notwendigen Büroarbeit, meinen privaten Verpflichtungen und der Freizeit.

Wer selbständig ist, darf sich über zuviel Arbeit nicht beklagen, hab ich gelernt. Hab ich auch nicht. Nicht, wenn ich nachts um drei Uhr Emails beantwortet habe, nicht, wenn ich rechts ran gefahren bin, um einen Kundenanruf entgegenzunehmen, nicht, wenn ich morgens um 5:30 im Auto, Zug oder Flieger saß nach 5 Stunden Schlaf, um ein Wochenende in München, Klagenfurt, Amsterdam, Toulouse, London, Zürich etc.. zu unterrichten. Egal, ob ich angeschlagen oder gesund war. Ich habe Hochzeiten, Geburten und Feiern geliebter Menschen verpasst. Denn ich habe zu schätzen gewusst, wie ausgebucht ich war. Fühlte mich geehrt und ein wenig stolz, in mehreren Ländern und dutzenden Städten eingeladen zu werden. Ich war gern und viel für meine liebgewonnenen Kund*innen und Schüler*innen da. Wer selbständig ist, darf sich über zuviel Arbeit nicht beklagen.

Und dann kam der Tag, an dem mir alles zu viel wurde. Der blinkende Anrufbeantworter, die eingehenden Emails. Die Orga, die Steuern, die Raumbuchungen, die Koordination, die Erwartungen. Die Arbeit. Alles. Burnout würde ich es rückwirkend nennen. In meinem Traumjob. Geht das überhaupt? Es kam mir anmaßend vor. Und doch war es so. Ich nahm mir eine Auszeit. Ging in die Stille, habe mit Phoebe, Sheila und meinen menschlichen Vertrauten nach Lösungen gesucht. Dabei haben mir die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg und Coachings mit meiner Freundin und Lehrerin Debby Potts geholfen. Es wurde klar: Ich möchte mehr auf meinen Rhythmus hören. Das ist ein laufender Prozess, weil sich Bedürfnisse und Umstände ein Leben lang ändern. Ich habe für mich aber damals herausgefunden, wie es mir und meinen Lieben gut geht und ich meine Arbeit für meine Kund*innen und Schüler*innen bestmöglich machen kann:

  • Beratungsgespräche zu Tageszeiten, die für mich gut sind
  • Weniger Beratungsgespräche, in meinem Fall heißt das, nur noch für Altkund*innen
  • Kurse in meiner Heimatstadt oder online

Wenn ich also sage, ich hätte gerade keine Zeit, dann ist das eine Vereinfachung des Istzustandes. Es bedeutet nicht, dass ich rund um die Uhr arbeite. Es bedeutet, dass das Kontingent, was ich für meine Arbeit und für Notfälle bereit halte, voll ist. Im Detail müsste es eigentlich heißen:

Danke für Deine Anfrage, ich freue mich über Dein Interesse an meiner Arbeit. Ich verstehe Dein Anliegen gut und möchte Dir helfen. Gleichzeitig habe ich eine Anzahl von Menschen un Tieren, für die ich im beruflichen Rahmen ebenfalls da sein möchte. Und um das gut gewährleisten zu können, brauche ich eine Freizeit, die es mir erlaubt, mich zu erholen, etwas vorzubereiten oder etwas nachzubereiten. Wenn ich Deinen Auftrag nun annehme, könnte es passieren, dass ich, um gut für Dich da zu sein, etwas von meiner oder der Zeit, die ich für andere vorgesehen habe, wegnehme. Damit würde ich meinem Bedürfnis nicht gerecht, für mich und die, die in meiner Verantwortung sind, zu sorgen. Ich hoffe auf Dein Verständnis und gebe Dir gern Kontakte an die Hand, die sich Deines Anliegens mit viel Engagement und Kompetenz annehmen.

Ich habe viele Jahre gebraucht, um so zu arbeiten, wie ich es wirklich gern möchte. Der Weg dahin war nicht immer einfach, aber oft wunderschön mit weit über tausend Menschen und Tieren, die ich begleiten durfte. Keine Minute, keine Begegnung möchte ich missen. Ich bin nun Ende 30 und finde es nicht mehr wichtig, erfolgreich und viel beschäftigt zu wirken. Ich bin mit meinem Beruf voll und ganz glücklich, wenn er mich trägt und wenn die, mit denen ich zusammenarbeite, damit glücklich sind. Das bedeutet, ich bin lieber für 50 Menschen in einem Jahr ganz bewusst und mit vollem Einsatz im beruflichen Rahmen da, als für 500 mit letzter Kraft. Und zum Glück gibt es durch das Internet die tolle Möglichkeit, vielen Menschen gleichzeitig einen Einblick in die Tierkommunikation zu geben, den sie dann bei mir und anderen vertiefen können.

Zeit ist so ein wertvolles Gut. Sie für das einzusetzen, was mir wichtig ist und dabei auch zum Wohl anderer beitragen zu können, das bedeutet für mich Erfüllung. Und bleibe ich dabei: Ich habe meinen Traumjob. Was für ein Glück.